Black Friday - oder Dank an all unsere Schutzengel (17)

18.08.- 28.08.2023 (116. - 126. Reisetag)

Frohgemut fahren wir an diesem Morgen los. Die Strecke ist überschaubar und ich setze mich ans Steuer. Nur Asphalt liegt vor uns. Es sind etwas mehr Autos unterwegs als an den letzten Tagen. Das Auto rollt dahin. Der Belag wechselt. Die Straße ist neu geteert und irgendwie fühlt sich das ungewohnt an. Mit besonderer Aufmerksamkeit beachte ich meine Geschwindigkeit, um ein besseres Gefühl zum Untergrund zu bekommen. Plötzlich schwankt das Auto stark, Uwe ruft etwas, ich bewege das Steuerrad und…..

Das Nächste, was ich wahrnehme, ist, dass ich auf der Fahrertür liege und irgendwie begreife, dass das Auto wohl auf die Seite gekippt ist. Mein erster Blick geht zu Uwe, der über mir in seinem Gurt hängt und auch nur langsam versteht, was passiert ist.

Ich fange an mein Handy zu suchen, was nicht auf seinem Platz ist. Eine Stimme spricht: Sie hatten wohl einen Unfall. Das Gerät hat ungewöhnliche Bewegen registriert.

Uwe löst den Sicherheitsgurt und fällt auf mich drauf. Unsere Muskeln funktionieren gut. Wir fangen das beide ab und er beginnt zur über ihm liegenden Tür zu klettern und die schwere Tür aufzustemmen. Draußen stehen schon Leute und fragen besorgt, ob wir verletzt sind. Glücklicherweise können wir das verneinen. Uwe hilft mir aus dem Auto und ich greife die mir entgegengestreckten Hände und springe die 2 Meter auf die Straße. Das klappt gut und zwei liebevolle Australierinnen übernehmen mich und führen mich wie einen kleinen Hund vom Auto weg. Dieses ist auf die Fahrerseite gekippt und macht einen furchteinflößenden Eindruck. Ich bekomme einen Stuhl im Schatten und eine Flasche mit kaltem Wasser in die Hand gedrückt. Mein Kopf ist völlig leer. Ich weiß, dass wir einen Unfall hatten und beide gesund sind. Alles andere erscheint mir so unwirklich.

 


Uwe telefoniert im Auto. Eins unserer Handys hat automatisch per Satellit eine Polizeistation angerufen. Er redet und redet und ich fürchte schon, dass er gar nicht mehr aus dem Auto rauskommt. Dann steigt er aus und geht erstmal völlig schockiert um das Auto herum. Das Wasser läuft aus dem Tank, ein wenig Diesel tritt auch aus. Ansonsten sieht alles trocken aus.

Die Menschen auf der Straße sind alle sehr besorgt. Sie regeln den vorbeikommenden Verkehr, der zum Glück an der Seite der Straße vorbeifahren kann. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt ein Ambulanzwagen, den Uwe aber vorher abgelehnt hatte. Unsere Vitalwerte werden überprüft und wir dürfen am Auto bleiben. Trotz allem sind wir beide körperlich fit. Nach einer weiteren Stunde ungefähr kommt die Polizei. Die Entfernungen hier sind halt groß. Der Chef schaut sich erstmal alles an. Dann muss ich pusten. Außer Tee und Kaffee habe ich nichts getrunken. Meine Daten werden aufgenommen und der Unfallhergang beleuchtet. Leider kann ich dazu nicht viel sagen. Die Leute, die das beobachtet haben, bestätigen, dass wir nicht zu schnell gefahren sind und das Auto sich ziemlich unverhofft aufgeschaukelt hat und auf die Seite gekippt ist.

Uwe ist völlig aufgedreht. Er spricht ununterbrochen mit Leuten, telefoniert und sammelt noch brauchbare Teile von der Straße auf. Wir bekommen beide immer wieder Wasser, was bei der stechenden Sonne auch gut ist. Ich habe ausdauernden psychologischen Beistand und kann nicht mehr machen, als etwas belämmert in die Gegend zu gucken. Mein Kopf ist nur leer gepustet.

Der Abschleppdienst hat es weit und es dauert und dauert. Endlich kommt ein Abschleppdienst, der einen Bulldozer fährt. Er soll den Schrott von der Straße in den Graben schieben. Glücklicherweise unterstützt uns die Polizei dabei, dies zu verhindern.

Inzwischen sind zwei Roadtrains angekommen, die so schwer sind, dass sie die Ausweichstrecke nicht benutzen können. Die beiden Fahrer warten gemeinsam mit uns mit viel Geduld auf einen vernünftigen Abschleppdienst. Es dauert und dauert.

Dann kommt einer. Er hat eine Winde an seinem Wagen und legt Stahlketten um das Auto. Uns bleibt das Herz stehen, als er versucht, unseren geliebten Rockhopper wieder aufzurichten. Dieser rutscht ein wenig über den Asphalt, bleibt aber liegen. Nach weiteren Versuchen kommt der Mann vom Abschleppdienst auf die Idee, die zwei Räder, die in Luft gucken mit Ketten am Bulldozer fest zu machen, so dass das Auto nicht mehr wegrutschen kann. Unendlich langsam und in ewig erscheinender Zeit richtet sich das Fahrzeug auf. Welch ein Glück! Wir sind ungemein erleichtert.

 


Der Rockhopper wird auf das Abschleppfahrzeug gezogen, befestigt und wir steigen vorn ein. Das Ganze hat gefühlt 5 -6 Stunden in praller Sonne gedauert. Jetzt brauchen wir noch fast 2 Stunden bis wir auf dem Hof des Abschleppunternehmens in Katherine ankommen. Das Auto wird abgelassen und Uwe telefoniert erstmal mit Gütersloh, wo ihm der Mechaniker seines Vertrauens hilfsbereit zur Seite steht und ihm hilft, zu überprüfen, ob man das Auto starten kann. Man kann!!! Welch eine Erleichterung!

Wir dürfen auf dem Hof des Abschleppunternehmens stehen bleiben und eine Toilette und eine Dusche benutzen. Das entledigt uns erstmal der Sorge, wo wir schlafen können. Nun kommt der nächste Schritt. Wie sieht das Innenleben aus? Uwe öffnet die Tür und ihm kommt ein ungeheueres Chaos entgegen. Kaum etwas ist auf seinem Platz. Die Hangeschränke und die Schubladen des Küchenblogs sind alle aufgegangen und natürlich ist fast alles rausgefallen und durcheinandergepurzelt.

Wir räumen grob auf, essen eine Kleinigkeit und fallen erschöpft und immer noch unter Schock ins Bett, das wir immerhin wieder besteigen können.

Dieser Tag ist so ein Alptraum – noch größer aber ist die Erleichterung, dass wir beide unverletzt sind, wir keinen anderen Verkehrsteilnehmer verletzt haben und auch keine weiteren Schäden an anderen Fahrzeugen dazu gekommen sind. Da uns in Brisbane kein Versicherungsunternehmen gegen solche Unfälle versichern wollte, müssen wir die Schäden jetzt selbst zahlen, aber – wie gesagt – es hätte alles viel, viel schlimmer kommen können.

Am nächsten Tag beginnt die Verdauung der ganzen Geschichte. Uwe begutachtet die Schäden an der Außenseite des Fahrzeugs und fängt an, es zu reinigen. Der Besitzer des Abschlepphofes erlaubt uns, dort so lange zu bleiben, bis wir weiterfahren können. Der gute Mann kommuniziert etwas wortkarg und ist auf dem Hof auch meist schwer zu finden, aber im Endeffekt klappt es doch. Es ist natürlich Wochenende, so dass wir noch nichts bewegen können.

Ich sortiere im Innenraum, so viel ich kann. Wir haben 2 Müslischalen, 1 Becher und 1 Zahnputzglas verloren. An den Wänden sind kleine Dellen und Kratzer zu finden. Im Kühlschrank hat sich ein großer Naturjoghurt verteilt. Das große Problem sind die Auszüge und Verschlüsse der Schubladen. Sie sind zum Teil kaputt gegangen. Wir sammeln alle Schräubchen und Teilchen und Uwe gelingt es von den 6 Schubladen 4 wieder voll funktionstüchtig zu bekommen. Die fehlenden Ersatzteile können wir nachbestellen. Ein guter Freund sammelt all die Bestellungen, die in Deutschland gemacht werden müssen,  und packt ein Paket, das dann per Express nach Broome geschickt wird.


Insbesondere der Außenspiegel muss schnell ersetzt werden, da wir ohne ihn nicht fahren können. Da das Auto ein Linkslenker ist, gibt es den passenden Spiegel hier nicht. Dank Uwes guter Kontakte wird der Spiegel per Express in Deutschland losgeschickt und ist 2 Tage später in Sydney. Bis wir das gute Stück in Händen halten, vergehen noch einmal 5 Tage, da das Paket einen Umweg über Brisbane macht und schließlich in Darwin landet. Glücklicherweise ist ein neuer Bekannter von uns gerade dort und bringt es uns mit. Viele Leute in Katherine erzählen uns, dass so etwas auch gut und gerne mal eine Woche dauern kann.

Wir verbringen eine sehr anstrengende Woche auf dem Hof des Abschleppunternehmens. Zum einen müssen wir die ganze Geschichte erstmal verdauen, zum anderen ist die Atmosphäre dort schwierig. Die Kommunikation zwischen Uwe und dem Chef sowie dessen Angestellten ist kompliziert, da sie meist extrem kurz und unwirsch abläuft. Wir bekommen zwar Unterstützung bei den Putzmaterialien, beim Ausbeulen der Bulba, dem Lackieren des Abdeckbleches für den Zusatztank, wissen aber nie, wie lange etwas dauern wird, wer wo ist und auf Freundlichkeiten wie „Guten Morgen“ wird meist gar nicht reagiert. Uwe ist schon sehr gespannt auf die Rechnung, da die Arbeitsmoral auch eine andere ist und er genau darauf achtet, ob gearbeitet wird oder nicht.

Wir lassen im Ort die beiden betroffenen Reifen säubern und auch die Spur vermessen. Ein Reifen ist ein wenig aufgeschlitzt aber noch gut zu nutzen. Er ist in Zukunft der Reservereifen. Das Auto ist nicht verzogen. Welch eine Erleichterung.

In einer anderen Werkstatt gelingt es, den verbogenen Haken der Wanne, die unter dem Zusatztank ist, mit Hilfe von Wärme wieder zurechtzubiegen.

Es wird immer deutlicher, dass die Schäden am Fahrzeug zwar heftig sind, sich aber fast nur noch auf kosmetische Dinge beschränken.

Wir sind so erleichtert und dankbar, dass die Kabine so stabil gebaut wurde und wir alle unsere Sachen ordentlich und solide im Auto befestigt hatten. Wir entscheiden uns, unseren Fokus auf die Weiterfahrt zu legen und die vielen Reparaturen, die unseren Rockhopper wieder zur Schönheit machen, in Perth während Uwes Aufenthaltes in Madagaskar machen zu lassen.

Am späten Nachmittag gehen wir zur Erholung zu den heißen Quellen in Katherine, die wirklich schön angelegt sind. Das Wasser ist um die 30°C heiß und gegen Abend wird es dort leer. Wir lernen jedes Mal sympathische, kommunikative Menschen kennen und fühlen uns wieder normal. Am 3. Abend nach dem Unfall gehen wir wieder zur Quelle und müssen an einem Grundstück vorbei, auf dem immer 3 schwarze, große Hunde toben und kläffen. An diesem Abend ist das Tor offen und ehe wir bemerken, was los ist, stürmen die Tiere vom Hof und einer davon beißt mich kurz über dem Knöchel ins Bein. Ich schreie nur auf, stehe im Blut und rette mich an einen Zaunpfahl, an dem ich mich weinend festhalte. Uwe greift sich einige Steine vom Weg und verfolgt die Tiere aufs Grundstück. Ein Auto kommt angefahren. Der Fahrer sieht uns und lacht. Außerdem kommt ein Mann zu Fuß an und beschimpft uns. Was wir auf seinem Grund und Boden zu suchen hätten? Ich werde richtig wütend und schreie ihn an, dass ich die Polizei und einen Rettungswagen haben will. Dann zeige ich ihm den Blutfleck, der einige Meter außerhalb seines Grundstücks liegt. Da wird er freundlicher und hat offenbar begriffen, dass die Schuld doch bei seinem Tier bzw. bei ihm liegt.

Ab jetzt ist er wie umgewandelt. Er holt für mich ein Tuch und sein Auto und fährt uns ins Krankenhaus. Dort habe ich Glück, dass kein schwerer Notfall reinkommt, während ich da bin. Ich werde versorgt, bekomme Schmerzmittel und eine Antibiotikainfusion. Ein Arzt reinigt nach örtlicher Betäubung die Wunde und näht sie mit 3 Stichen so zu, dass noch Flüssigkeit austreten kann. Der Besitzer fährt uns zurück zum Rockhopper und ich falle völlig fertig ins Bett.


Nach 3 Tagen wirft der Arzt nochmal einen Blick auf die Wunde und ist sehr zufrieden. Nach 10 Tagen zieht Uwe die Fäden und alles heilt langsam, aber stetig. Ich habe nicht einmal Angst vor Hunden entwickelt. Mein „no“ kommt allerdings schneller und schärfer als vorher.

Da der Spiegel eine Woche nach dem Unfall noch nicht in Sicht ist, beschließen wir, das Wochenende woanders zu verbringen. Wir fahren zum Katherine Gorge Campground. Dort haben wir endlich wieder Natur um uns herum. Schon beim Reinfahren werden wir von einem deutschen Paar angesprochen. Mit ihnen verbringen wir an diesem Wochenende viel Zeit. Wir haben viele gemeinsame Interessen und verbringen etliche Stunden im Gespräch miteinander. Das tut richtig gut, da wir immer noch ein wenig durch den Wind sind und so mal von unserem Alptraum abgelenkt werden, ohne ihn verdrängen zu müssen. Wir machen sogar noch einige schöne Fotos von den Flughunden, die in der Nähe des Flusses tagsüber an den Bäumen hängen und in der Dämmerung zur Jagd aufbrechen.

Kurzentschlossen fahren wir dann auch noch nach Bitter Springs, unserem eigentlichen Ziel am Tag des Unfalls. Wir bekommen dort auch einen Platz und laufen zu den Quellen. Sie sind wirklich schön, nur kann ich wegen der Wunde nicht baden. Uwe nutzt jedoch die Gelegenheit. Wir verbringen hier einen weiteren entspannten Tag und beschließen am Montagmorgen nach Katherine zurückzufahren, da wir jetzt die Nachricht erhalten haben, dass der Außenspiegel am Abend da sein wird.

Beim Bezahlen der Rechnung auf dem Abschlepphof kommt es fast zum Eklat. Der Besitzer ruft einen Preis auf, der einem den Atem stocken lässt. Uwe ist darauf vorbereitet und hält argumentativ dagegen. Er findet 2500 AU$ okay, bezahlen sollen wir 1000 AU$ mehr. Irgendwann wird der Besitzer kategorisch. 3000 AU$ und Schluss! Uwe begibt sich zur Tür und sagt, dass er sich erkundigen wird, wie er diese Situation auflösen kann. Zur Not nimmt er sich einen Anwalt. Nach weiterem Hin und Her, bei dem Uwe auch noch auf die extrem freche Ansprache eines Mitarbeiters hinweist: „ Bludy fucking Asshole!“finden sie einen Kompromiss, der darin besteht, dass Uwe das Geld, was er bar dabei hat, dort lässt. Das sind dann insgesamt 2780 AU$. Erleichtert, dass wir ohne größeren Konflikt hier wegfahren können, begeben wir uns in den Ort und erledigen Einkäufe, damit wir am nächsten Tag Katherine endlich verlassen können.

Den Abend verbringen wir bei der Familie, die uns den Spiegel aus Darwin mitgebracht hat. Wir haben ein gemütliches Abendessen und können auf ihrem Grundstück übernachten. So langsam nimmt die Anspannung etwas ab.

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