Japan - Hokkaido in besonderen Zeiten

„Hokkaido wird zum Notstandsgebiet erklärt“ – diese Information ging 2 Tage vor der geplanten Japanreise, deren fotografische Schwerpunktgebiete auf Hokkaido liegen, durch die Medien. Genau das hatte mir noch gefehlt – sollte das jetzt ganz kurz vor knapp das Ende der Japanreise sein, die mich so viele Mühe bei der Organisation gekostet hatte? Ein Anruf bei der japanischen Agentur, mit der ich zusammengearbeitet hatte, ergab aber glücklicherweise Entwarnung: „Notstand würde nur heißen, dass die Schulen geschlossen sind. Ansonsten kann man sich frei bewegen und die Hotels sind geöffnet“. Rückblickend muss ich über meine erste beinahe panische Reaktion fast grinsen, so überspitzt erscheint mir das angesichts unserer heutigen Situation. Ganze 62 Fälle waren auf der riesigen Insel Hokkaido bekannt. In dem Gebiet, in dem wir unterwegs waren, ganze 3… Naja, so unterschiedlich können Situationen bewertet werden.

Am Flughafen in Frankfurt traf ich auf meine kleine, aber feine Reisegruppe. Mit nur 4 Teilnehmern war die Tour exklusiv geplant, um möglichst flexibel zu sein und die Vorzüge einer Kleingruppe genießen zu können. Der Flug nach Kushiro über Tokyo verlief völlig problemlos und pünktlich und so erreichten wir unser erstes Hotel auf Hokkaido zum Abendessen. Apropos Essen: Ja, das Essen auf Hokkaido trifft nicht immer den europäischen Geschmack – zumindest wenn man kein Fischliebhaber ist - aber in unserem ersten Hotel gab es „Haute Cuisine“ vom Feinsten. Nach einem entspannenden Bad im hauseigenen Onsen war die nötige Bettschwere geschaffen, um schnell in den Schlaf zu fallen.

Das erste Highlight unserer Reise waren die Mandschurenkraniche, die im Schnee ihre majestätischen Tänze aufführten. Und wir hatten mehr als Glück – kaum waren wir bei den Kranichen angekommen, begann es stark zu schneien. Wir konnten es kaum fassen. Schöner geht es einfach nicht. Langsam schwebten immer mehr Kraniche ein. Als sie dann gefüttert wurden, tanzten sie vor lauter Freude über das bevorstehende Mal – so zumindest aus menschlicher Sicht gesehen…. Am nächsten Morgen präsentierte sich uns dann der berühmte dampfende Fluss mit Kranichen, den man von einer Brücke aus fotografieren kann. -15° Grad, dampfendes Wasser, mit Neuschnee überpuderte Büsche rechts und links des Flusses, ein wunderschöner Sonnenaufgang und wenige Fotografen. So sollte es sein!

Nach 3 beeindruckenden Tagen ging es dann weiter zu den Steller‘s Sea Eagles – eines der Highlights für Fotografen auf Hokkaido. Jeder, der sich einmal mit den Seeadlern von Rausu beschäftigt hat, weiß, dass die Krönung der Adlerfotografie das Packeis ist. Es war kalt genug, der Wind kam aus der richtigen Richtung und machte unser Glück perfekt. Die große Bucht war gefüllt mit Packeis, das einen schönen Hintergrund für die Adler bot. Auch das Wetter spielte mit einem schönen Sonnenaufgang bis hin zum starken Schneetreiben hervorragend mit. Am Nachmittag ging es dann zu den Füchsen und Sikahirschen, die auf eine ganz andere Weise als die gefiederten Freunde ebenfalls sehr spannend sind und eine schöne Abwechslung darstellten. Der einzige Wermutstropfen war ein aufkommender Blizzard (Schneesturm), der unsere letzte Ausfahrt mit dem Boot leider verhinderte. Ach ja wenn Japan die Hochburg der Fischesser ist, dann ist Rausu die Hochburg von Japan. So gab es zum Frühstück und Abendessen fast nur Fisch und Meeresfrüchte, alles auf eine ganz „besondere“ Weise angerichtet und auch für hart gesottenen Fischesser durchaus eine Herausforderung… ????

Und dann kam es, wie es nicht kommen sollte – der Blizzard hatte uns voll im Griff und wir mussten genau an diesem Tag zum nächsten Hotel am Kusharo-Lake fahren. Die Strecke von nur 117 km hatte es in sich. Nachdem es zunächst ganz gut ging, die Räumdienste waren Tag und Nacht im Einsatz, und wir uns schon fast am Ziel wähnten – es fehlten nur noch 45km war die Straße vor uns plötzlich gesperrt. Nichts ging mehr! Erkundigungen über die Öffnung der Straße einzuholen, war extrem schwierig, genauso wie Informationen über mögliche Alternativen. Der Wind fegte über die Straße, Schnee wurde viele Meter aufgewirbelt und wir bekamen einen Eindruck davon, was ein „Whiteout“ sein könnte. Nach 2stündiger Beratung entschieden wir uns dann für einen riesigen Umweg, bei dem die Hoffnung bestand, dass wir es schaffen könnten. Zwei weitere Male standen wir vor gesperrten Straßen, aber letztendlich schafften wir es dann doch. Nach einem kurzen Stopp bei den Schwänen am Lake Kusharo fuhren wir zügig über die völlig vereiste Uferstraße weiter ins Hotel, das immer noch 15 km von uns entfernt war. Glücklich im Hotel angekommen, zog es mich aber gleich wieder hinaus. Sollten wir uns die Chance entgehen lassen, Schwäne im Schneesturm fotografieren zu können? Die Begeisterung der Teilnehmer war zuerst sehr verhalten, aber letztendlich saßen wir alle wieder im Auto, kämpften mit den widrigen Umständen und machten Fotos, die man nur selten so machen kann.

Während der nächsten 2 Tage gab es Schwäne satt. Nun mag der eine oder andere Leser vielleicht denken, dass man Schwäne auch in Deutschland auf dem Ortsweiher fotografieren kann und dass das eine eher langweilige Veranstaltung ist, aber dem ist nicht so. Eine malerische Berglandschaft im Hintergrund, der zugefrorene See, dass Dampfen der heißen Quellen am Ufer, das warme Licht eines Sonnenuntergangs und viele Schwäne, die kreuz und quer durcheinander schwimmen - das alles ist alles andere als leicht zu fotografieren. Wir haben die Herausforderung angenommen und so boten sich im Laufe der Zeit sehr schöne unterschiedliche Situationen, die wir fotografieren konnten: vom watschelnden Schwan auf dem zugefrorenen See im leichten Schneetreiben, an- und abfliegende Schwäne – gerne auch als Wischer -, Highkey Portraits, Schwäne im Sturm oder mystisch Schwäne in den Nebelschwaden des Onsens. Spannend wurde es jeden Abend, da aufgrund von Corona außer uns keine Gäste in dem touristischen Ort und deshalb nahezu alle Restaurants geschlossen waren. Mit Glück fanden wir in einer kleinen Nebenstraße ein Restaurant mit sehr leckerem, japanischen Essen. Dort stellte sich dann die japanische Speisekarte als kleines Abenteuer heraus…

So langsam hieß es Abschied nehmen von Hokkaido. Ein letztes Kranichshooting auf dem Weg zum Flughafen durfte natürlich nicht fehlen, bevor wir in den Flieger stiegen, um zurück nach Tokyo zu fliegen. Nachdem wir schon in den letzten Tagen nahezu die einzigen Touristen gewesen waren, was uns extrem gut gefallen hatte, entfaltete auch an den Flughäfen von Kushiro und Tokyo Corona seine volle Wirkung. Wir waren fast alleine dort und alles lief sehr zügig und problemlos ab. Von Tokyo aus ging es dann weiter in die Nähe von Nagano, wo wir noch 2 Tage die berühmten Schneeaffen fotografieren wollten. Naja, aus den „Schneeaffen“ wurde nichts. Am ersten Tag hatten wir eher „Regenaffen“ bei Temperaturen um die 12° Grad. Aber auch bei diesem Wetter kann man schöne Fotos machen, wenngleich Schnee natürlich etwas anderes gewesen wäre. Die Fahrt hoch in die Skigebiete war ernüchternd. Alles wirkte stark verfallen, die Liftanlagen würden in Europa alle die Zulassung verlieren und von Skitouristen fehlte jede Spur. Hier scheint neben Corona auch der Klimawandel seine Spuren zu hinterlassen. Dennoch war es eine schöne Tour durch die Berge und man kann sich gut vorstellen, wie herrlich es sein muss, wenn dort richtiger Winter ist. Der letzte Tag bei den Schneeaffen war dann noch ein richtiger Knaller. Während die Interaktion zwischen den Affen am ersten Tag eher verhalten war, wurden wir am zweiten Tag mit purer Action verwöhnt. Wie bei einer Horde Jugendlicher war auch bei den Affen der heiße Onsen der Mittelpunkt des Geschehens. Es wurde geschwommen, ins Wasser gesprungen, geschubst und getaucht – einfach klasse!

Gegen Mittag ging es zurück nach Tokyo – eine Stadt der Superlative, die uns alle geflasht hat. An diesem Abend endete die offizielle Fototour, aber alle Teilnehmer sind noch ein paar Tage länger in Tokyo geblieben – wenn man schon einmal da ist…

Wo soll man bei Tokyo anfangen, wo soll man aufhören? Schon der Blick aus dem Hotelzimmerfenster im 32. Stock mit dem Tokyo Tower im Vordergrund, der leuchtenden Silhouette der Skyline Tokyos, dem Mount Fuji im Hintergrund und einem grandiosen Sonnenuntergang ist einfach der Hammer. Wir hofften auf das Glück einer verfrühten Kirschblüte, da es ein sehr warmer Winter gewesen war. Um es kurz zu machen – wir waren eine Woche zu früh. Nur ein paar wenige blühende Bäume ließen uns erahnen, was für eine Pracht es zur Hochblüte sein muss. Aber Tokyo ist einfach wow! Shibuya Crossing, Shinjuku, der Ueno Park, die vielen kleinen, leckeren Restaurants, die unglaublich gut funktionierende Infrastruktur, die Sauberkeit, die Architektur, die Disziplin der Menschenmassen und vieles mehr lässt Tokyo für mich zu einer meiner 3 Top-Städte dieser Welt aufsteigen. Ich habe die Zeit bis zur letzten Sekunde genossen und wäre gerne noch viel, viel länger geblieben….

So ging eine sehr spannende Fotoreise zu Ende und ich freue mich jetzt schon riesig auf die Tour in 2021.

Weitere Fotos gibt es in der Galerie - Japan...

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